Mittwoch, 6. Januar 2010

Pius XII. – als Nuntius – brachte Hitler an die Macht

Im Folgenden findet sich ein weiteres wichtiges Puzzlestück, dass die frühe und aktive Verwicklung des Vatikans in den Aufstieg des Hitlerregimes aufzeigt. Monsignore Ludwig Kaas, der damalige Vorsitzende der Zentrumspartei, also des politischen Arms des Katholizismus, hatte schon über einen langen Zeitraum versucht, ein Konkordat zwischen Deutschland und dem Vatikan auf den Weg zu bringen. Nun mit dem konkreten Angebot Hitlers schien dieses Ziel in greifbare Nähe gerückt, und für dieses Ziel und weitere Versprechungen war Kaas und die Zentrumspartei als Zünglein an der Waage bereit, für das Ermächtigungsgesetz zu stimmen, womit die Geschichte endgültig ihren unheilvollen Lauf nehmen konnte.

Auf den folgenden Artikel wird in mehreren Büchern Bezug genommen, so z.B. in „Behind the Dictators – A Factual Analysis of the Relationship of Nazi-Fascism and Roman Catholicism” von Leo H. Lehmann aus dem Jahre 1942 und „No Friend of Democracy” von Edith Moore aus dem Jahre 1941. Ein ähnlich wichtiges Puzzlestück ist z.B. die Zeugenaussage von Schwester Pascalina Lehnert, der persönlichen Assistentin von Papst Pius XII., in der sie buchstäblich eine Geldübergabe zur Bekämpfung des gottlosen Kommunismus von Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., an den jungen Adolf Hitler erinnert.

["]Hierzu gehört, was Fritz Thyssen enthüllt hat. Dieser Mann war als Vorsitzender des mächtigen Konzerns der 'Vereinigten Stahlwerke' einer der Hauptgeldgeber Hitlers, bevor dieser zur Macht kam. Vor einigen Monaten floh er aus Deutschland in die Schweiz; und aus einem Brief von ihm an seine Mitarbeiter veröffentlichte die Basler 'Arbeiter-Zeitung' am 31. Januar 1940 die folgenden Auszüge:

'Im Laufe der vielen Jahre, während derer ich das Nazi-Regime beobachten konnte - und als Staatsrat und Wirtschaftsführer hatte ich reichlich Gelegenheit dazu - habe ich mit ständig wachsender Besorgnis und zuletzt mit wahrem Entsetzen eingesehen, welch schweren Fehler ich im Jahre 1932 beging, als ich zusammen mit den Herren von Papen, von Schroeder, Kirdorf und Krupp von Bohlen und Halbach es unternahm, die NSDAP, finanziell zu sanieren und wir sozusagen als Garanten für Hitlers gutes Verhalten Deutschland und der Welt gegenüber die Verantwortung auf uns luden, ihn zur Macht zuzulassen.

Damals, genau so wie heute, und seitdem immer, versprach Hitler alles, was wir wünschten: Herrn von Papen Macht und Würden, Herrn Krupp Aufträge und Geld, Berge von Geld. Uns allen insbesondere einen geruhigen Kurs der deutschen Politik innen und außen; Verständigung mit England; Verständigung mit der Arbeiterschaft, die durch weitgehende soziale Fürsorge für den Verlust aller politischen Rechte, die Vernichtung der Gewerkschaften und die Enteignung ihrer Vermögen entschädigt und mit dem autoritären Regime ausgesöhnt werden sollte. Es schwebte uns eine Art christlicher Ständestaat vor, dessen Autorität sich auf die Kirche - im Westen die katholische, im Osten die protestantische - und auf das Militär stützen sollte

Hitler gelobte nun, was mir der wesentliche Punkt war, feierlich und ausdrücklich, die Rechte der katholischen Kirche nicht anzutasten. Er wiederholte dieses Gelöbnis in einer mehrstündigen Unterredung mit Monsignore Kaas, der ihn im Auftrag des damaligen päpstlichen Nuntius Pacelli, des heutigen Papstes Pius XII., und ohne Wissen des Vorsitzenden der Zentrumspartei, Reichskanzler Brüning, aufsuchte. Diese Unterredung führte den Sturz der letzten legalen deutschen Regierung Brüning herbei und bedeutete den Beginn jener Epoche deutscher und europäischer Politik, der wir den heutigen, den zweiten Weltkrieg verdanken. Der katholischen Kirche, besser gesagt, der diplomatischen Meisterschaft des Nuntius Pacelli, die recht eigentlich der gesamten Politik der letzten Jahre der Weimarer Republik ihren Stempel aufprägte, gelang der einzige Sieg über Hitler, das Konkordat, das er noch nicht offen und mit brutaler Gewalt gebrochen hat. In Wahrheit aber existiert dieses Konkordat von seinem ersten Tag an nur auf dem Papier; denn es kommt auf den Geist an, der die Buchstaben eines Vertrages mit Leben erfüllt, ihm Sinn und Inhalt gibt."

Diese Bekenntnisse, von der Basler 'Arbeiter-Zeitung' unter der Überschrift 'Pius XII - als Nuntius - brachte Hitler an die Macht' veröffentlicht, wurden von der katholischen Presse begreiflicherweise sofort scharf angegriffen und als unwahr erklärt. Ungenau ist in der Tat an Thyssens Darlegungen das Folgende: Nuntius in Berlin war zur Zeit der Reichskanzlerschaft Brünings nicht mehr Pacelli, sondern Orsenigo; Brüning war damals nicht Vorsitzender der Zentrumspartei (das war Prälat Kaas), sondern Vorsitzender der Zentrumsfraktion des Reichstages.

Prälat Kaas bestreitet von Rom aus, schon zur Regierungszeit Brünings mit Hitler konferiert zu haben. Hier steht Aussage wider Aussage. Ob Kaas mehr Glauben verdient als Thyssen, mag jeder für sich beurteilen. Das an Thyssens Darstellungen tatsächlich als falsch Erkennbare ist jedenfalls unbedeutend im Verhältnis zu den Hauptpunkten:

1. Zusammen mit v. Papen und andern katholischen Politikern schwebte Thyssen bei seinen Plänen die Errichtung eines 'christlichen Ständestaates' vor.


2. Zu diesem Zweck trafen diese Katholiken geheime Abmachungen mit dem Katholiken Hitler, finanzierten seine Bewegung und verbürgten sich in den deutschen Herrenschichten für Hitlers 'Regierungsfähigkeit'.


3. Als wesentlicher Punkt galt bei den Abmachungen mit Hitler, die Machtstellung der katholischen Kirche zu sichern und durch Abschluß eines Reichskonkordats auszubauen.


4. Eine Unterredung zwischen einem Beauftragten der römischen Kurie und Hitler hat - nach Thyssens Darstellung - diese Abmachung besiegelt.


Ob Thyssen eine sympathische Figur ist oder nicht, spielt hier keine Rolle. Sympathische Figuren hinter den Kulissen zu suchen ist sowieso meist vergebliche Liebesmühe. Andere Leute als solche von hinter den Kulissen können aber überhaupt nicht aus der Schule plaudern. Wenn Thyssen spricht, so spricht immerhin ein Mann, der mit hinter den Kulissen war, als die Freiheit des deutschen Volkes verschachert wurde. …

Ist es nun wahrscheinlich, daß Thyssen mit seinem Bekenntnis im wesentlichen die Wahrheit sagt, oder nicht? Es gibt keine überzeugenden Gründe dafür, daß seine Enthüllungen erlogen wären; aber viele Gründe sprechen für ihre Richtigkeit. Das Spiel, das er aufdeckt, stimmt mit dem überein, was in der vatikanischen Politik in allen fünf Erdteilen zu beobachten ist.

Die Ständestaat-Idee leitet sich aus der Papst-Enzyklika 'Quadragesimo anno' ab, die im Mai 1931 herauskam, zur Zeit jener Intrigen in Deutschland also noch ziemlich neu und wohl geeignet war, einem katholischen Politiker Vorwand oder Anreiz zu einem Ränkespiel zu bieten. Mit dem Versuch, diese Idee praktisch zu verwirklichen, stehen Thyssen, v. Papen, etc. ja nicht allein da, sondern katholische Politiker und Würdenträger in aller Welt stehen neben ihnen. Auch in katholisch-konservativen Kreisen der Schweiz ist solche Propaganda zu finden. Praktische Voraussetzung für das Ständestaat-Experiment ist die Ausschaltung der Demokratie, wie sich das in Österreich, Portugal, der kanadischen Provinz Quebeck (unter Kardinal Villeneuve) etc. gezeigt hat.

[...]

Doch ganz abgesehen von all den angedeuteten Intrigen muß der Versuch, das Zentrum, also den politischen Katholizismus von der Mitschuld an der deutschen Tragödie reinzuwaschen, schon deshalb scheitern, weil ja neben allen bürgerlichen Parteien auch das Zentrum dem Ermächtigungsgesetz für Hitler zugestimmt hat, also mit daran beteiligt war, ihn auf vier Jahre zum unumschränkten Diktator zu erklären und ihm das deutsche Volk auf Gnade und Ungnade auszuliefern.

http://www.manfred-gebhard.de/Kommentarserie1945.htm

Gegen den Minderheitsflügel um Brüning setzte er die Zustimmung der Zentrumsfraktion zum Ermächtigungsgesetz durch. Sein Widerstand „wurde schwächer, als Hitler von einem Konkordat sprach und Papen versicherte, dass ein solches so gut wie garantiert sei. Das war die Frage, die Kaas am meisten interessierte, aus seiner ganzen Anschauungswelt heraus.“ (Heinrich Brüning: Memoiren 1918–1934. Stuttgart 1970, S. 656)

http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Kaas